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Kunst(liche Intelligenz) und das Wettrennen mit der Zeit

Ein Kommentar

KI hat sich im vergangenen Jahr drastisch entwickelt. Das Konzept der sogenannten generativen KI wird definiert als eine künstliche Intelligenz, die Inhalte (wie zum Beispiel Text, Bilder, Audio- oder Software-Code) als Antwort auf Aufforderung einer Userin erstellen kann. Die KI benutzt dabei öffentlich zugängliche Inhalte, um ihre eigenen Inhalte zu generieren. Eine der bekanntesten KI-Softwares ist die Website “Chat-GPT”.

Durch ihre Abhängigkeit von bereits existierenden Inhalten wird der generativen künstlichen Intelligenz oft unterstellt, dass sie echte Kunst stehlen würde. Dies ist ein Punkt, der von Menschen online oft hitzig diskutiert wird. In einem viralen Tweet (1), der eins dieser generierten Bilder vorzeigte, hieß es, dass künstliche Intelligenz “die Kunst endlich zugänglich für alle gemacht hat”. Dieser Tweet hat online für viel Aufsehen gesorgt, aber die Frage, die für mich bis heute unbeantwortet blieb: Für wen war Kunst denn vorher nicht zugänglich?

Meine erste Vermutung war, dass sich der Tweet womöglich auf arme Menschen beziehen könnte. Dieses Argument besagt, dass Künstlerinnen zuvor teure Materialien brauchten, um ihre Bilder zu erschaffen und jetzt nur eine kostenlose App benötigen, um das gleiche zu tun. Das Problem bei dieser Logik ist, dass sie ignoriert, wie divers das Medium der Kunst ist. Besonders die Straßenkunst ist dafür bekannt, dass sie vor allem von Künstlerinnen, mit finanziell-schwachen Hintergründen, geprägt wurde (2).

Online sah ich auch mehrmals die Annahmen, dass der Tweet über behinderte Menschen sprach. Was hier die Logik sein soll, ist mir unklar, da behinderte Menschen schon lange vor der Existenz von KI die Kunstgeschichte mitgeschrieben haben. Zum Beispiel ist eine der berühmtesten Malerinnen des 19. Jahrhunderts Frida Kahlo, die viele ihre ikonischen Gemälde malte, während sie aufgrund der Folgen eines schweren Unfalls an ihr Sterbebett gefesselt war (3). 

Also wem hat KI die Kunst zugänglich gemacht? Den Faulen und Unkreativen. Manche Menschen reagieren nicht gut darauf, wenn man ihnen sagt, dass sie durch ein fünf jahrelanges Üben ein schönes Gemälde erschaffen könnten, weil sie das Bild jetzt haben wollen. Böse Zungen könnten sagen, dass dieses Verhalten, dem einer Fünfjährigen ähnelt, die auf einer Autofahrt zur Eisdiele alle 5 Minuten fragen muss, ob “wir endlich da sind”, weil sie ihr Eis sofort haben will.

Aber versuchen wir eine empathische Erklärung zu finden. Warum lernen diese Leute nicht einfach zu zeichnen? Warum ist ihnen die Zeit, die es braucht, um zeichnen zu lernen, zu schade?

Einer meiner Kommilitoninnen schreibt dieses Jahr ihre Bachelorarbeit. Sie ist in ihrem sechsten Semester, also ist sie damit in der Regelzeit. Als ich ihr ein Kompliment dafür machen wollte, wie gut sie doch in der Zeit blieb, schüttelte sie ihren Kopf und meinte, dass sie schneller fertig geworden wäre, hätte sie sich nur mehr angestrengt. Fast niemand schafft es wirklich innerhalb der Regelzeit sein Studium zu vollenden, dennoch nehmen es sich viele zu Herzen, dass sie es nicht schneller geschafft haben. Das folgt dem Muster von vielen jungen Leuten, die schon mit 19 Jahren Angst haben, dass sie ihr Leben verschwendet haben. Die Schule zu beenden, ein Studium zu absolvieren und ein Praktikum zu machen braucht nun mal Zeit. Zeit, die viele Menschen in unserer sich immer schneller drehenden Welt nicht mehr haben. Sie denken, dass sie jetzt anfangen müssen zu arbeiten, damit sie so schnell wie möglich anfangen können, Geld zu verdienen, um so schnell wie möglich ein Ziel zu erreichen, was sie nicht einmal haben.

Womöglich ist es nicht unbedingt Faulheit, die viele davon abschreckt, etwas Neues zu lernen, sondern Zeitdruck. Je mehr Leute im Wettrennen eine Abkürzung benutzen, desto mehr Druck hat man, diese auch auszunutzen, damit man nicht zurückfällt.

Das wiederum macht etwas wie KI so attraktiv, da es Menschen sofortige Befriedigung liefert. Man muss nicht mehr lernen, wie man recherchiert, weil Chat-GPT einem Quellen nennen kann. Man muss nicht mehr lernen, wie man ein Essay schreibt, weil es die KI für einen machen kann. Man muss nicht mehr zeichnen lernen, weil man ein Bild einfach künstlich generieren lassen kann. 

Man lernt eine Fähigkeit nie, wenn man eine Maschine für sich arbeiten lässt. Das eigentliche Machen, der kreative Prozess und das eigentliche Lernen einer Fähigkeit, gehen durch die Nutzung von KI verloren. Das ist wichtig aus den gleichen Gründen, wieso man erst lernen sollte, wie man ohne einen Taschenrechner das 1×1 löst. Nämlich trainiert der Akt des Rechnens das Gehirn. Ähnlich tun es das Malen, Schreiben und Recherchieren.

Das ist sogar nicht nur leeres Gefasel. Eine Forschungsarbeit der “University of Pennsylvania” hat gezeigt, dass Studentinnen ihre Aufgaben nach der Nutzung von KI schlechter lösen als vor dem Gebrauch der künstlichen Intelligenz (4).

Es gibt noch viele andere Gründe, warum es kritisch ist, KI zu benutzen. Zum Beispiel da KI-generierte Bilder von echten Künstlerinnen stehlen. Oder dass KI-generierte Texte gerne mal Ereignisse schildern, die so nie geschehen sind und somit die Verbreitung von Falschinformationen fördern. Oder weil der massive Gebrauch von KI die Umwelt beschädigt. Oder, oder, oder… Aber worauf ich in diesem Beitrag eigentlich hinauswill, ist, dass die Kunst für jede zugänglich ist, die bereit ist, sie zu lernen.

Liebe Leserin, sei nicht eingeschüchtert davon, dass es Jahre braucht, bis du dein Ziel erreicht hast; “Die Zeit wird sowieso vergehen” (5).

Die Quellen

  1. Art just became accessible
  2. The Popular History of Graffiti: From the Ancient World to the Present
  3. Frida: A Biography of Frida Kahlo
  4. Generative AI Can Harm Learning
  5. Ein Zitat von Earl Nightingale 

Vielen Dank fürs Lesen.

Autor:in

  • Deena

    Auf JUMA22 will ich unsere Leserinnen informieren, unterhalten und dazu animieren, meine Lieblingsfilme zu schauen.

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