Ein Kommentar
Ist es nicht seltsam, dass eine ganze Generation von Kinderfernsehen nur aus Werbung bestand? Wie bei allen Problemen der Welt finden wir die Schuld dafür bei den Amerikanerinnen. Vor dem Jahr 1984 gab es strenge Regelungen für Programme, die sich an eine junge Zielgruppe richteten, zum Beispiel war es nicht erlaubt, Produkte in Kindersendungen zu bewerben (1). Das sollte Kinder vor den manipulativen Marketing-Techniken schützen, da sie in ihrem jungen Alter den Wert von Geld schwer greifen können und mangelnde Medienkompetenz besitzen (2). Daher ist es einfacher, sie dazu zu animieren, Produkte (mit dem Geld ihrer Eltern) zu kaufen. Aber unter der Reagan-Regierung in den USA wurden diese Regelungen aufgelockert (1). Was Großkonzernen die Gelegenheit gegeben hat, Cartoons zu veröffentlichen, deren einziges Ziel es war, eine Spielzeugserie zu bewerben.
Klassische Beispiele dafür wären “Transformers” oder “My Little Pony”, die beide ein großer finanzieller Erfolg für “Hasbro” (das Unternehmen hinter diesen Marken) waren (3). Beide Spielzeugreihen wurden in den frühen Achtzigern veröffentlicht. Trotz oberflächlichen Unterschieden findet man viele Ähnlichkeiten zwischen all diesen Zeichentrickserien. Beispielsweise haben sie mehrere Protagonist*innen, damit sie verschiedene Puppen verkaufen können und wenn ein Kind mit dem ganzen Team spielen will, animiert es Eltern dazu, mehrere Produkte zu erwerben. Allerdings haben die meisten Figuren den gleichen Körpertyp. “Mattel”, einer der größten Konkurrenten von “Hasbro”, war in der Vergangenheit sehr transparent damit, wieso das so ist: Nämlich konnten sie bei der Produktion die gleiche Form für alle Spielzeuge benutzen, wenn alle Figuren den gleichen Körperbau haben. Dies war eine Methode, um Gelder zu sparen (4). Demnach findet man die größten Unterschiede zwischen den Puppen bei den Farben.
Die genannten Cartoons haben sich seitdem zu riesigen Franchisen entwickelt, die im Laufe der Jahre die verschiedensten Fortsetzungen hatten. Die bemerkenswertesten dieser Fortsetzungen sind die Live-Action-Transformers-Filme. Ähnlich wie die Kinderserie wurden auch sie aus einer geldgierigen Motivation produziert. Das erkennt man daran, wie viele Produktplatzierungen die Filmreihe hatte. In dem ersten Film hatten sie schon ganze 21 Produkte beworben. Die Tendenz steigt (5). Zugegebenermaßen wurden sie als Familienfilme statt als Kinderfilme beworben, was jedoch eine Unterscheidung ohne wirklichen Unterschied ist. Der erste dieser Filme wurde im Jahr 2007 veröffentlicht, was bedeutet, dass die meisten Leute in den Kinositzen entweder Kinder oder nostalgische Erwachsene waren, die als Kinder den Cartoon gesehen haben.
Ursprünglich war der Plan der Großkonzerne, Kinder anzusprechen, damit sie ihre Eltern anbetteln, Spielzeug für sie zu kaufen. Aber seitdem haben sie gemerkt, dass diese Kinder zu Erwachsenen mit eigenem Geld und viel Markentreue herangewachsen sind. Demnach haben viele Firmen begonnen, sich einem älteren Markt anzunähern, indem sie zum Beispiel mehr Sammlereditionen veröffentlichen. Bei den Sammlereditions handelt es sich um limitierte Spielzeugreihen, deren Qualität (vermeintlich) weit besser ist als bei den regulären Produkten. Sie sind aber eigentlich nicht zum Spielen gemacht. Wie der Name schon verrät, sind sie darauf ausgerichtet, im Regal einer Sammlerin zu stehen (und nicht in dem eines Kindes) (6). Das sieht man am deutlichsten an der Marke “Monster High”, die im Jahr 2010 eine Reihe von Modepuppen zusammen mit einer gleichnamigen, animierten Serie veröffentlichten. Seitdem werden regelmäßig neue Spielzeuge unter dem Namen “Monster High” rausgebracht. Ein paar dieser Spielzeuge waren exklusiv für Amerika, aber die Sonderedition, die sich wirklich an Erwachsene gerichtet hat, waren die Puppen, die von Prominenten oder kultigen Horrorfilmen inspiriert wurden. Zwischen 2010 und 2020 wurde nur eine Sammlerpuppe veröffentlicht, nämlich Zomby Gaga (7). Im Kontrast dazu gab es zwischen 2020 und 2024 ganze dreizehn Sondereditionen! (8)
Amerikanische Cartoons haben Kindermedien auf einer globalen Ebene verändert. Zeichentrickserien als Werbung zu nutzen ist in den Augen der Öffentlichkeit normaler geworden (und das in einer Gesellschaft, die sich ohnehin schon keinen Alltag ohne Werbung mehr vorstellen kann). Vorhin hatte ich zwar (auf eine übertriebene Weise) den Amis für alles die Verantwortung zugeschrieben, besonders weil sich ihre Regelungen seit den Achtzigern wieder verschärft haben. Aber Geldgier kennt keine Grenzen.
Die japanische Animationsindustrie hat im letzten Jahrzehnt an globalem finanziellen Erfolg und popkulturellen Einfluss gewonnen. Merchandise ist eng verbunden mit Anime, da ihre bunten Figuren eine breite Palette an Produkten inspirieren kann. Besonders, wenn sie eine loyale Fanbase haben. Für unsere Generation muss der beliebteste Anime “Pokémon” gewesen sein. Das Franchise musste in den letzten Jahren aber viel Kritik einstecken, da das Unternehmen dahinter, “Nintendo”, den beliebten Namen für jeden möglichen Cent ausgemolken hat. Der Allerbeste zu sein (wie es keiner vor dir war), bedeutet vor allem Karten, Figuren und Plüschtiere zu erwerben, um alle Taschenmonster zu sammeln. Daher auch der Slogan: “Schapp sie dir alle”! Das geht aber weit über Merchandise hinaus, da alle drei Jahre zwei Versionen des gleichen Pokémon-Spiels veröffentlicht werden, die zusammen den vollständigen Pokédex (9) ergeben. Um jedes einzelne Pokémon zu sammeln, müsste man beide Versionen kaufen, oder eine Freundin, die das Spiel auch hat, um Hilfe bitten.
Nach deutschem Gesetz ist es zwar illegal, Produkte an Kinder zu bewerben, wenn die Inhalte nicht deutlich von der Werbung getrennt werden: “Werbung muss als solche klar erkennbar sein. Sie muss im Fernsehen durch optische und im Hörfunk durch akustische Mittel eindeutig von anderen Programmteilen getrennt sein. In der Werbung dürfen unterschwellige Techniken nicht eingesetzt werden” (10). Dennoch gehören die genannten Serien zu der Kindheit der Generationen Y und Z. Da sie keine klare Aufforderung zum Kauf beinhalten, schienen die Serien nicht gesetzeswidrig.
An deutsche Kinderserien wird ein höherer Standard angelegt, besonders wenn sie zu den öffentlich-rechtlichen gehören. Dass sie durch Staatsgelder finanziert werden, hat sowohl seine Vor- und Nachteile: Sie werden zwar (zurecht) kritischer beleuchtet als andere Inhalte, haben aber das Privileg, ohne ein finanzielles Motiv Filme und TV herzustellen. Was die Kreativität der Produzentinnen befeuert und zu Serien führt, die mehr als nur glorifizierte Kinderwerbungen sind. Was nicht heißen soll, dass jedes Kind eine Mediendiät haben soll, die nur aus Funk besteht.
Persönlich mag ich viele der zuvor genannten Serien. Vor allem Pokémon und ich würde es einem Kind in meiner Obhut auch zu jeder Zeit erlauben, die Serie zu schauen, da ich sie nicht als unmittelbar schädlich empfinde. Dieser Beitrag ist nicht an Kinder oder ihre Eltern gerichtet, sondern an Jugendliche, die mit solchen Serien aufgewachsen sind. Womöglich sollten wir einen kritischeren Blick auf die Unternehmen werfen, die unsere Kindheit geprägt haben. Vor allem in Hinsicht darauf, womit sie es geprägt haben. Was in diesem Fall Werbung ist.
Quellen:
- The Federal Communications Commission 1981-1987
- Kinder und Geld: Zur Konsum- und Gelderziehung von Heranwachsenden
- The surprisingly complex business of toys, with Hasbro CEO Chris Cocks
- Power of Grayskull: The Definitive History of He-Man and the Masters of the Universe
- An Annotated History of Product Placement in the Transformers Series
- Adults are buying toys for themselves, and it’s the biggest source of growth for the industry
- Zomby Gaga, Monster High Dolls by Mattel
- Skullector Checklist by Monster High
- Was ist ein Pokédex?
- § 10 DWG – Einzelnorm
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Auf JUMA22 will ich unsere Leserinnen informieren, unterhalten und dazu animieren, meine Lieblingsfilme zu schauen.