Am 30. August 2025 fand der allererste Christopher Street Day in Groß-Gerau statt. Bis der CSD in Groß-Gerau gefeiert werden konnte, war es ein langer Weg. Warum gab es erst jetzt die erste Pride und welche Bedeutung hat es, dass in unserer Kleinstadt so eine Veranstaltung stattfinden konnte?


Der CSD wurde von der pro familia Beratungsstelle in Rüsselsheim organisiert. Um die Antworten auf unsere Fragen zu finden, haben wir uns an ein Mitglied der Organisation Pro Familia gewandt. Bereits 2024 gab es einen veröffentlichten Termin für einen CSD in Groß-Gerau, berichtet der Geschäftsführer der Rüsselsheimer pro familia Beratungsstelle, Matthias Roth. Doch wer hinter der Ankündigung steckte, blieb unklar. „Wir haben damals erst einmal abgewartet, was passiert“, erklärte er. Letztendlich fand der angekündigte CSD jedoch nicht statt. Für Roth stand fest: 2025 sollte sich das ändern. Als queere Person, die selbst im Kreis Groß-Gerau lebt, sei ihm wichtig gewesen, dass es endlich einen CSD in der Stadt gibt. Gemeinsam mit dem Team der Fachstelle und der queeren Beratungsstelle MöWa Queerbeet aus Mörfelden wurde schließlich aus der Idee die erste Pride in Groß-Gerau.
Zur Frage, welche Bedeutung eine solche Veranstaltung haben kann, erzählte uns Roth, dass: „Der Christopher Street Day in Groß-Gerau ist, wie in vielen anderen Städten eine wichtige Bedeutung für die Sichtbarkeit und Rechte der LGBTQIA+ Gemeinschaft. Er ist nicht nur ein Fest der Vielfalt, sondern auch ein politisches Statement, das für Gleichberechtigung, Akzeptanz und gegen Diskriminierung eintritt”. In einer eher ländlichen Region wie Groß-Gerau habe der CSD zudem eine besondere Bedeutung, da er das Bewusstsein für diese Themen in Gegenden stärkt, die möglicherweise weniger von LGBTQIA+-Themen durchzogen sind als größere Städte.
Für viele bedeute der CSD in Groß-Gerau auch eine Plattform, um sich gegen Diskriminierung und Vorurteile zu stellen und eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz zu fördern. Es sei ein Moment der Solidarität, um zu zeigen, dass die LGBTQIA+-Community ihre Rechte weiterhin einfordert und keine Angst hat, sich zu zeigen. Eine solche Veranstaltung sei „ein Moment, in dem sich die lokale Community zusammenfinde und zeigt, dass es in Groß-Gerau einen Platz für alle gibt – unabhängig von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität. Ein CSD könne demnach dabei helfen, das lokale Bewusstsein zu schärfen und zu mehr Verständnis und Inklusion beizutragen.”


Der CSD begann um 14 Uhr am Anne-Frank-Jugendzentrum, dann zog die Parade weiter durch die Innenstadt, an der Theodor-Heuss-Straße vorbei und endete am Sandböhl, wo bis spät in den Abend noch gefeiert wurde. Die Feier sprühte vor Farben und lachenden Menschen, die den Sandböhl in eine lebendige Bühne verwandelten. Überall wehten Regenbogenfahnen, Plakate und Jubel vereinte Fremde zu einer fröhlichen Gemeinschaft. Aber kehren wir zurück zum Anfang des Tages…
Die Pride-Feier am Sandböhl begann um 15 Uhr mit einer Rede von dem Host Emm Weyrauch, die das Publikum willkommen hieß und das Programm knapp erklärte. Weyrauch gab daraufhin das Mikrofon an verschiedene Sprecher*innen weiter, unter anderem Matthias Roth und Anja Kresse von MöWa Queerbeet. Ihre Reden feierten, wie weit die Rechte von LSBT+ gekommen sind, betonten aber auch, dass es noch ein weiter Weg ist, bis queere Lebensrealitäten in der Gesellschaft vollständig akzeptiert werden. Ein Moment, der besonders im Kopf blieb, war die Aussage / der Appell / der Wunsch , dass „Vielfalt nicht nur toleriert, sondern auch wertgeschätzt werden soll.” da die Einbeziehung von verschiedenen Perspektiven neue Denkweisen ermöglicht und dadurch „unser Zusammenleben bereichern kann.”


Zwischen den Reden traten auch verschiedene Acts auf. Unter anderem die Dragqueen Lucy Luxe, Showgirl Kitty Bambule, die Stage Factory aus Groß-Gerau, ein Poesie-Trio (bestehend aus Sven Timpe, Verena Hülsborner, Vero mit V), der Sänger Harry Bauer und gegen Ende der Produzent 404 Herz.
Die Künstler*innen schafften es, die Menge zu unterhalten, aber durch ihr Auftreten auch verschiedene Themen zu behandeln: „Drag gibt mir Kraft, es gibt mir Mut und Motivation weiterzumachen. Aber es ist eben auch das Mittel, mit dem ich auf die Straße gehe, um aufzuklären.”, erzählte die 19-jährige Dragqueen Lucy Luxe, abgebildet im linken Bild. Die Intention hinter Auftritten, wie dem auf dem Groß-Gerauer CSD, sei es den Menschen Themen wie Identität und Depression näherzubringen. Ursprünglich kam Luxe in die queere Szene durch eine sogenannte Drag-Mom: „Es ist keine leibliche Mutter, es ist eine andere Dragqueen, die ich kennengelernt habe und bei ihr konnte ich Drag kennen- und lieben lernen.”
Luxe’s abschließende Botschaft für alle war: „Feiert, geht demonstrieren, seid laut.”


Neben der Bühne waren auch verschiedene Stände, an denen man sich zu diversen Themen informieren konnte, wie bei den Omas gegen Rechts, dem Queerformat Profamilia, der evangelischen Stadtkirche aus Groß-Gerau, MöWa Queerbeet, der Aidshilfe Darmstadt und dem CSD Darmstadt.
Der überwiegende Teil der Organisationen war dort, um ein Zeichen für die Gemeinschaft zu setzen: „Nicht alle von uns sind queer, aber trotzdem sind wir hier, um solidarisch mit gefährdeten Gruppen zu stehen. […] Um zusammen gegen die Hetze anzugehen, müssen wir uns zusammenschließen”, sagte Eva Stritzke, eine Aktivistin die sich bei den „Omas gegen Rechts” engagiert. Sie erzählt mir die Geschichte, wieso sich die OgR im Kreis Groß-Gerau gebildet hat: „Da gab es eine AfD-Veranstaltung in Walldorf und da haben wir gesagt, das kann ja wohl nicht sein, dass die AfD jetzt schon in durch Walldorf in unser Groß-Gerau vordringt, da müssen wir auf die Straße gehen.” Zusätzlich erwähnte ihre Kollegin Margrit Reimann einen Vorfall auf einem Event, bei dem eine Gruppe AfD-Politiker zu ihrem Stand kam, um ihnen Angst zu machen: „Beim letzten Mal waren an unserem Stand nur Männer von der AfD, die haben versucht uns so niederzumachen und alle anderen abgehalten, an unseren Stand zu kommen.” Stritzke nickte und brachte zum Ausdruck, wie entscheidend es ist, dass Aktivist*innen sich in solchen Zeiten nicht einschüchtern lassen: „Es ist so wichtig für uns, die Demokratie zu bewahren, die Vielfalt zu schützen und gegen diese Hetze anzugehen.”
Happy Pride und bis zum nächsten Beitrag!
Autor:in
-
Auf JUMA22 will ich unsere Leserinnen informieren, unterhalten und dazu animieren, meine Lieblingsfilme zu schauen.
Alle Beiträge ansehen